Rathausmann, daneben das Wiener Wappen und Insert: „Die Landesbildstelle Wien zeigt:" Titeleinblendung: „Das Wiener Kaffeehaus"; Einblendung der Credits: „Eine Filmdokumentation von Fritz Riha und Hans Weigel"; „Mit Fritz Muliar und Karl Mittner"; „Schnitt Annemarie Reisetbauer"; „Kamera Edgar Osterberger"; „Gestaltung Willi Sorger"; „Eine Dürer-Film-Produktion hergestellt mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Wien";
Muliar tritt ins „Café Landtmann" ein und begrüßt den Ober, der seinen Mantel entgegennimmt; Walzermusik; Muliar bittet um eine Melange und Zeitungen; er liest in der Zeitung einen Bericht zum bald erwarteten 300-Jahr Jubiläum des Wiener Kaffeehauses;
Schnitt, mittelalterliche Musik setzt ein; diverse Archivbilder und historische Stiche zur Türkenbelagerung in Wien 1683; Bilder von unterschiedlichen Schauplätzen und Akteuren; Muliar erzählt im Off vom Orientwarenhändler Kolschitzky, der sich angeblich gemeinsam mit Herzog von Lothringen als Türke verkleidete und ins Lager schlich (02:36); nach dem Krieg ließen türkische Belagerer Bohnen zurück; Kolschitzky verwendete folglich Bohnen, um ein türkisches Getränk zuzubereiten und auszuschenken;
Schnitt zu Muliar ins „Café Landtmann"; er sagt, es sei eine sehr schöne und romantische Geschichte, die allerdings nicht wahr sei; Kolschitzky hatte zwar vermutlich diesen Botengang gemacht und ein Schreiben darüber unter die Leute gebracht; in rezenten Publikationen ist die weitere Geschichte des vermeintlich ersten Wiener Kaffeesieders allerdings Legende und Mythenbildung; Muliar zitiert einige Zeilen aus der Flugschrift (03:53);
Schnitt zu Straßenschild und Hausfassade in der Kolschitzkygasse und einer Gedenkstatue an einer Gebäudeecke im 4. Bezirk (06:08);
Muliar erzählt weiter vom Agenten des Hofkriegsamtes Johannes Deodat, der als Kaufmann Boten- und Spionagegänge machte und eine in dieser Form erste Kaffeesiederlizenz für 20 Jahre erhielt; 1685 war die Ausschank dieses orientalischen Getränkes Privileg; laut Muliar und seinen zitierten Quellen war dies die erste belegte Geburtsstunde des Wiener Kaffeehauses (06:50); Originaldokumente, die das belegen, sind zwar 1927 im Zuge des Justizpalast-Brandes zerstört worden, dieser Teil der Geschichte kann aber laut Muliar trotzdem als gesichert angesehen werden; Schnitt, weitere Montage von Archivbildern und mittelalterlichen Stadtplänen; Zoom auf eingezeichnetes Hachenbergsche Haus; Zoom auf Deodats Wohnhaus am historischen Stadtplan, in dem er das orientalische Getränk ausschenkte; später übersiedelte er auf den Stephansplatz (07:08);
Schnitt zurück zu Muliar, der weiter von Johannes Deodat erzählt; Deodat verließ Wien; nach seiner Wiederkehr hatte er mit Überraschung festgestellt, dass in der Zwischenzeit andere, vor allem Türken und Armenier, weitere Kaffeehäuser betrieben (07:33-08:47);
Montage von Archivbildern früherer Kaffeehäuser, die gemäß Muliar eher Kaffeehauskatakomben als Kaffeehäuser waren, meistens in unterirdischen Gewölberäumen zu finden; um 1700 herum hatten vier Türken von Kaiser Leopold I. das Privileg des Kaffeesiedertums erhalten; das erste bürgerliche Kaffeehaus wird wieder auf historischem Straßenplan in Nähe der Goldschmiedgasse gezeigt; in diesem Viertel hatte sich eine Art Kaffeehauszentrum entwickelt; Muliar meint, in den folgenden Jahren wären die Wiener anscheinend immer mehr auf den Geschmack gekommen (08:48);
Schnitt zurück zu Muliar ins Kaffeehaus; Ober bringt Melange, die Muliar zur Wiener Erfindung erklärt; das orientalische Getränk soll dem Wiener zu bitter gewesen sein, daher wurden Zucker und Milch dazu serviert; die Melange war geboren (11:57);
Muliar zitiert aus Friedrich Torbergs Buch (Torberg 1982), (12:25-14:13); Muliar trinkt und bemerkt, dass man in Wien Wasser zum Kaffee bekommt; eine weitere Wiener Spezialität seien die verfügbaren Zeitungen; Muliar: „Franz! Die Zeitungen bittschön";
Archivbilder der Entwicklung einer Literatenkaffeekultur; Muliar beschreibt die Atmosphäre im Wiener Kaffeehaus, die perfekt zum Zeitungslesen einlädt; Alkoholika durften üblicherweise nicht ausgeschenkt werden; erst ab 1751 habe der Streit zwischen Schnapsbrennern und Kaffeesiedern ein Ende gehabt und der Weg für den Aufstieg des Kaffeehauses sei frei gewesen (14:14);
Archivbilder von einigen prominenten Kaffeehäusern dieser Zeit; bis zum Ende des 18. Jahrhunderts etablierten sich bereits sechs Kaffeehäuser; das bekannteste war zunächst das „Café Hugelmann"; Muliar zitiert Berichte des Schriftstellers Ernst Moritz Arndt über die Wiener Kaffeehäuser 1804; 1820 wurde das Café übernommen und umgebaut; gegenüber befand sich das „Café Wagner" und daneben das „Café Jüngling", in dem Musiker Joseph Lanner und die Brüder Drahanek in den 1820er-Jahren auftraten (17:25);
Archivbilder vom „Café Bellevue" unter Martin Wiegand, das die Kaffeehausmusik etablierte; „Café Ducati" unter Ambrosio Augustini; eine weitere Filiale an der Rotenturmbastei folgte; drei Mal die Woche gab es Harmoniemusik; bei Augustini waren vor allem griechische Stammgäste anzutreffen; im „Café Jüngling" vor allem Freimaurer, weil der Besitzer Freimaurer war; im „Café zur Stadt London" trafen sich die Türken; im „Café Daum" am Kohlmarkt waren Vertreter der kaiserlichen Armee anzutreffen, deshalb hatte es den Beinamen ‚Wallensteins Lager'; beliebter Treffpunkt war auch das „Café Taroni" am Graben (17:51);
Der Stephansplatz galt als gesellschaftliches Zentrum Wiens; bald wurden Tische und Stühle vor den Cafés aufgestellt; so konnte man seine Promenade unterbrechen und sich auf einen Kaffee oder eine Schokolade hinsetzen; daraus wurde quasi der Schanigarten;
Schnitt zu Muliar ins Kaffeehaus, der seinen bestellten Cognac bekommt; er richtet sich an den Ober Franz und fragt ihn, was „Schani" bedeutet; der Ober antwortet, es sei eine Kurzform von Johann; Muliar erzählt weiter, dass die meisten Kellner „Franz" genannt werden, obwohl sie ganz anders heißen; „Schani" sei außerdem auch eine Bezeichnung für untergeordnete Berufe und „Pikkolo" (auch „Piccolo") nennt man auszubildende Ober (20:32);
Archivbilder von Wiens neuen Kaffeehäusern und Schanigärten; Muliar setzt im Off fort; Kaffee trinken, Zeitung lesen und gleichzeitig einen Blick auf den Corso werfen; sehen und gesehen werden; nun existierte die Kaffeehauskultur nicht mehr nur im Winter; helle und heitere, mit Billard ausgestattete Kaffeehäuser waren Orte für die Sommerfrische; vor allem in der Gegend um den Prater, der als früheres kaiserliches Jagdrevier im 18. Jahrhundert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde; neben der Schlagbrücke, heute Schwedenbrücke, befanden sich die Kaffeehäuser „Jüngling" und „Wagner"; diese hatten auch sommerliche Zweigstellen in der Hauptallee eröffnet; ein reiches musikalisches Leben hatte sich entlang dieser Kaffeehauskultur entwickelt; 1814 fand das letzte öffentliche Auftreten Ludwig van Beethovens im Kaffeehaus „Wagner" statt; Archivbild „Wagners Caffée Haus"; Hauptattraktionen dieser zweiten Kaffeehäuser waren diverse Konzertveranstaltungen; Joseph Lanner und Richard Strauss Vater traten hier unter anderem auf; diese wurden von den Dienern liebevoll „Blockschädel" und „Morenkopf" genannt und spielten auch im Volksgarten; Muliar: „Am 19. Juni 1868 erlebten hier Wiener ein musikalisches Ereignis" (23:37); die Strauss Brüder hatten aufgespielt; Lanner und Strauss Vater haben quasi für das Kaffeehaus komponiert; mit Vorliebe gingen sie ins „Café Neuner", das auch der Künstlertreff für Persönlichkeiten, wie Grillparzer war;
Schnitt zu Muliar ins Kaffeehaus, der Beethovens Brief an Grillparzer erwähnt, in dem vermerkt war, dass er nachmittags immer im Kaffeehaus „Zur goldenen Birne" anzutreffen sei; Grillparzer selbst war gerne ins „Silberne Kaffeehaus" des Ignaz Neuner gegangen; ein Kaffeehaustempel mit besonders prunkvoller Ausstattung (24:34);
Erneutes Einblenden von Archivbildern (25:10); Muliar im Off; Franz Schubert frequentierte das „Café Bogner" an der Ecke Singerstrasse und das Café „Zum goldenen Rebhuhn", wo er ebenfalls Konzerte von Strauss und Lehner verfolgte und Beifall spendete; Muliar nennt weitere alte Künstlerkaffeehäuser, wie das „Café Griensteidl", das erste wahre Literatenkaffee am Michaelerplatz; bis zum vorläufigen Abbruch 1897 war es der geistige Nabel für Wiens Politiker, Journalisten, Schauspieler und Schriftsteller; deshalb wurde es von Wienern scherzhaft „Café Größenwahn" genannt (25:34);
Schnitt zu Muliar, der von späteren Gästen wie Arthur Schnitzler und Hugo von Hoffmansthal berichtet; Archivbilder (Photographien) von genannten Persönlichkeiten (26:30); in den 1880er-Jahren entstand mit der Abtragung der alten Stadtmauern und Basteien sowie dem Bau des Ringes das neue Wien (26:45); Muliar zitiert Karl Kraus: „Wien wird jetzt zur Großstadt demoliert"; nach Abriss des „Café Griensteidl" waren Literaten wie Kraus ins „Café Central" in die Herrengasse übersiedelt (27:12); die Clique des Hermann Bahr aus Linz hatte Kraus, gemäß Muliar, absolut nicht gepasst; diese Gäste waren Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hoffmann, Felix Salten und Hugo von Hofmannsthal; im Café Central; Einführung zu Peter Altenberg; Muliar zitiert bezüglich der Personenbeschreibung von Altenberg eine Dame; groteske, geradezu revolutionäre Kleidung (28:09-28:33);
Schnitt zu Muliar, der weiter ausführt, dass Altenberg in der Tat revolutionär war; er hatte überall seine Ideen hingeschrieben und war jedem bekannt; der Ausspruch „Im Kaffeehaus ist man nicht zu Haus' und doch nicht an der frischen Luft" stammte von ihm; Muliar meint, schade, dass er nicht das Hawelka gekannt hatte;
Schnitt ins „Café Hawelka", Schild und Außenansicht, dann Innenansicht; Posterwand; Hans Weigel, der zu den Entdeckern des Hawelkas gehörte, hat einmal gesagt: „Dem Hawelka ist gelungen, was zum Beispiel dem Ringturm nicht gelungen ist, was vorrausichtlich der UNO-City gelingen wird, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Wahrzeichen Wiens zu werden. Jedenfalls, wird es von allen bedeutenden Zeitgenossen, die Wien kennenlernen wollen, besucht." (29:39-29:57);
Schnitt zu Muliar, der schwermütig ausführt, dass das „Griensteidl" demoliert und das „Central" eine Ruine sei; auch vom Herrenhof sei heute nicht mehr viel übrig;
„Café Herrenhof", Foto; in den 1920er- und 1930er-Jahren haben hier jüngere Literaturkreise zusammengefunden; im Roman von Franz Werfel „Café Herrenhof" war dies oft Thema (31:02-32:20);
Muliar meint, dass die Demolierung des ‚Alten Wiens' auch gute Sachen mit sich brachte und in der Folge viele neue Kaffeehäuser entstanden seien; Muliar: „Aber einige davon wurden im Krieg, im Zweiten Weltkrieg, zerbombt und andere wurden umfunktioniert" (32:51-33:00); in unterschiedliche, zweckentfremdete Orte, wie Autosalons, Büros von Fluggesellschaften und Banken;
Aufnahmen des „Café Museum"; Muliar im Off: „Einige der alten existieren zum Glück noch" (33:10); Archivfotos; erste größere Arbeit von Adolf Loos; dieser hat nicht nur das Kaffeehaus geplant und errichtet; auch Tische, Stühle, die ganze Einrichtung war von ihm entworfen und anfertigt worden; hier trafen sich vor allem die Bildhauer und Maler; die erste Wiener Kaffeehaus-Galerie war dort angesiedelt (33:44); auch heute werden im Kaffeehaus Bekannte und Unbekannte, Alte und Junge der Öffentlichkeit vorgestellt (33:48); zu Beginn des Jahrhunderts waren im „Café Museum" viele prominente Operettenkünstler anzutreffen, unter anderem Franz Lehár (34:02);
Schnitt zu „Café Sperl", Nähe Theater an der Wien; Innenansicht Sperl; Muliar erzählt, dass es eines der wenigen Kaffeehäuser sei, das noch so ist, wie es einmal war; das Kaffeehaus Sperl ist denkmalgeschützt, wie einige andere Kaffeehäuser auch; „Café Landtmann" und „Café Central" zum Beispiel (34:47); Archivbilder von „Café Dobner" (35:42), wichtig zu nennen im Kontext der Geschichte des Wiener Kaffeehauses und der Wiener Literatur; im „Café Prückel" gab es von 1933-38 eine Kleinkunstbühne im Souterrain, in dem die Avantgarde Unterschlupf gesucht hatte (36:33); erste Kleinkunstbühne für bekannte Schauspieler; präsentierte sich als Konzertcafé (37:00);
Schnitt zu Muliar ins Kaffeehaus; er erläutert die Verbindung zwischen Kaffee und Kabarett (37:02); Veranstaltungen hatten häufig in den Souterrains der Kaffeehäuser stattgefunden; Schauspieler mussten so keine Miete zahlen; Muliar: „Apropos zahlen, zahlen Herr Ober!"; inszenierte, unhöfliche Gesten gehören gemäß Muliar zum Wiener Kaffeehausober dazu (37:34); Muliar zitiert Dr. Rudolf Weys „Die Kellnerprüfung", die besagt, dass man als Kellner nie sofort zum Gast geht, man lässt den Gast warten beim Zahlen (37:50-39:42);
Schnitt auf das „Café Schwarzenberg" (39:44); Konzertcafé; Muliar: Wien ist bekanntlich eine Musikstadt, deshalb hört man keine amerikanische Radiomusik; Innenansicht (40:04); Muliar: subventioniert vom Kulturamt der Stadt Wien gibt es neuerdings wieder das Konzertcafé; Schwenk auf Pianist;
Schnitt zu Muliar ins Kaffeehaus; Muliar: es gibt sogar wieder ganz neue Kaffeehäuser wie das „Café Coural" (40:55) oder das elegante „Sirk"; „Café Sirk" (40:58) im Block des „Hotel Bristol"; Blick auf Ecke Ring/Kärntner Straße; Oper Corso (41:03/41:06/41:09); Archivbilder (41:12); erwähnte Ecke ehemals Firma Sirk, die in Kraus' Werk als Schauplatz österreichischer Debatten erwähnt wurde; mit der Errichtung des neuen „Café Sirk" einige Meter vom früheren Standort der Firma entfernt ist es nun wieder auferstanden; Außenansicht „Café Sirk" (41:43);
Schnitt zu Muliar ins Kaffeehaus: ein paar neue Impulse mit Errichtung neuer Kaffeehäuser, um jahrelangem ‚Kaffeehaussterben in Wien' zu entgegnen (42:00); Muliar zum Abschluss: „Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Gehen's ins Kaffeehaus, es zahlt sich aus und außerdem, es wär' doch schad' um's ‚Kaffee Rathaus', um's ‚Eiles', um's ‚Tiroler Hof', hmm hob i net recht? Franz, zahlen!" (42:14);
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